Seit Jahren wird in Freiburg sehr viel gebaut, aber wann gibt es endlich genug bezahlbaren Wohnraum?

Seit Jahren wird in Freiburg sehr viel gebaut, aber wann gibt es endlich genug bezahlbaren Wohnraum?

Vor allem als 2015 und 2016 viele Geflüchtete nach Freiburg kamen, ist die Bevölkerung hier stärker gewachsen. 2017 ließ das Wachstum wieder nach und 2018 haben sogar etwas mehr die Stadt verlassen, als hierhergezogen sind. Das erstaunt, denn zum einen gingen die Bevölkerungsprognosen der Stadt von anhaltend hohen sog. Wanderungsgewinnen aus und die rege Bautätigkeit fördert eigentlich tendenziell den Zuzug.

Je weniger gebaut wird, desto geringer i.d.R. das Bevölkerungswachstum. D.h. das Bevölkerungswachstum, dass z.T. als Argument für neuen Wohnraum dient, wird durch den Wohnungsbau auch induziert.

2018 ist die Stadt nur durch den Geburtenüberschuss gewachsen. Laut Statistischem Jahrbuch ist die Bevölkerung um 600 Personen gewachsen (0,26 %). Während die 1940 Verstorbenen teilweise zuvor ganze Wohnungen und Häuser alleine bewohnten, reichte den Neugeborenen ein Zimmer, wenn überhaupt. In Verbindung mit der regen Bautätigkeit von jährlich ca. 1000 Wohnungen resultiert mathematisch daher seit 2018 eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt. 2019 verhielt es sich ähnlich, der Bevölkerungszuwachs lag bei 888 Personen.

Da aber nur vergleichsweise wenige sog. bezahlbare Wohnungen neu gebaut werden, kann dem Fehlen dieses Wohnungstypus letztlich durch Bautätigkeit nicht adäquat begegnet werden. Teilweise werden auch sehr günstige, ältere Wohnungen abgerissen, um dort neu zu bauen.

In Gutleutmatten, oder z.B. am Güterbahnhof entstanden in den letzten Jahren viele Wohnungen. Die wenigsten allerdings für Mieten von unter 9 € /qm kalt. Die Caritas verlangt in der Maria-Theresia-Straße für neue Wohnungen sogar zwischen 13,00 und 16,60 € pro qm kalt.

https://www.frimp.de/redaktion-frimp/caritasverband-verlangt-fuer-neue-wohnungen-bis-16-60-qm-kalt/

Der OB-Wahlkampf 2018, der Bürgerentscheid Dietenbach und auch die Gemeinderatswahlen 2019 standen im Zeichen vom Fehlen bezahlbaren Wohnraums.

Gemeinderat und Verwaltung stehen mehrheitlich hinter dem rasanten Wachstumskurs der Stadt, auch die Grünen. Allerdings haben sich seit dem Bürgerentscheid die Rahmenbedingungen stark verändert: Die Klimakrise verschärft sich zunehmend. Corona reißt ein riesiges Loch in den städtischen Haushalt und der Wohnungsmarkt entspannt sich langsam.

Dennoch hat eine große Gemeinderatsmehrheit – alle außer Freiburg-Lebenswert und der AfD - erst letzte Woche weitere Beschlüsse für Dietenbach gefasst.

Bewilligt wurden 100 Mio. € in Raten zu je 5 Mio. € jährlich. Das ist 10mal so viel, wie den Bürgern in Verbindung mit dem Bürgerentscheid als Belastung zugesagt wurde.

Trotz finanzieller Unterstützung aus Berlin und Stuttgart droht der Stadt ein historisches Finanzloch in Höhe von 100 Mio. €, in diesem und möglicherweise in ähnlicher Höhe im nächsten Jahr.

In Zeiten der Klimakrise, leerer Kassen und demographischem Wandel, der das Bevölkerungswachstum stark drosseln könnte, sollten die Verantwortlichen hinterfragen, ob sie das Milliardenprojekt Dietenbach nicht zumindest auf Eis legen sollten.

Denn die finanziellen Risiken sind sehr hoch. Gegen das Projekt wird auch geklagt und sollte der Bau gestoppt, oder verzögert werden, würde dies weiteres Geld kosten.

Seit Jahren wird konstatiert: es fehle bezahlbarer Wohnraum. Wie bei Dietenbach dient das als Begründung und Rechtfertigung um viel zu bauen und Grünflächen zu versiegeln, Landwirte ggf. zu enteignen etc.. Gebaut wird dann auch „bezahlbar“, aber meist nur für die, die relativ viel bezahlen können (s.o. Caritas-Beispiel).  Regelmäßig werden sogar wirklich bezahlbare Wohnungen für die neuen, teureren abgerissen.

Die Folge ist so logisch wie banal: Am Fehlen bezahlbaren Wohnraum ändert sich trotz immenser Bauanstrengungen und Natureingriffe nichts Nennenswertes und so wächst die Stadt kontinuierlich, aber bezahlbarer Wohnraum bleibt Mangelware. Der neugebaute Wohnraum verteuert den Mietspiegel sogar und auf diesem Weg auch die Bestandsmieten.

Neubau zum Zwecke der Mietsenkung hat sich als falsche Hoffnung erwiesen. So rangieren heute die Mieten in den neuesten Stadtteilen und Baugebieten Güterbahnhof, Gutleutmatten, Rieselfeld und Vauban ganz oben im städtischen Vergleich.

Bei Grundstückspreisen von ca. 1000 €/qm und sehr vielen Auflagen gibt es kaum Gründe zur Annahme, dass sich das in Dietenbach anders verhalten würde – ganz im Gegenteil.

Es spricht vieles dafür, dass wir das beabsichtigte Ziel, also das Schaffen bezahlbaren Wohnraums, durch den seit Jahren verfolgten Weg, nämlich durch Bauen auf Teufel komm raus, nicht erreichen. Solange die Zinsen so niedrig sind, finden sich vermutlich zwar noch genug Investoren – zumindest für den frei finanzierten Wohnraum. Um aber die mindestens 50 % geförderten Wohnraum in Dietenbach zu realisieren, wird die Nachfrage nach Grundstücken, bei den besagten Preisen, nicht ausreichen. Zumal, wenn die Bevölkerungsprognosen des Statistischen Landesamtes in der unteren und mittleren Variante eintreten sollten. Für diese Fälle bräuchte es Dietenbach überhaupt nicht und der Wohnungsbedarf könnte durch die vielen anderen geplanten kleineren Baugebiete problemlos gestillt werden.

Email Share Facebook Share

Bitte melden Sie sich zu diesem Zweck an oder registrieren Sie sich kostenlos, falls Sie noch keine Zugangsdaten für FRIMP haben sollten.