Einigung in Sachen „Quäkerstraße“

Innenhof Quäkerstr. u.a.
Innenhof Quäkerstr. u.a. - Foto: www.wiehre-für-alle.de

Quartier zwischen den Wiehrebahnhöfen („Quäkerstraße“):

Vereinbarung der Stadt mit der Familienheim Freiburg Baugenossenschaft eG über weiteres Vorgehen - Erhaltungssatzungen dadurch kompensiert.

Bis Ende 2029 Moratorium - Baumaßnahmen nur begrenzt möglich. Start für Erstellung des Gesamtkonzepts für das Areal der Familienheim Freiburg als Eigentümerin unter Mitwirkung von Stadt und Mieter_innen nicht vor 2026. Gemeinderat entscheidet über Vereinbarung am 29. Juni 2021.

Die Stadtverwaltung und die Familienheim Freiburg Baugenossenschaft eG haben in den letzten zwei Jahren eine Vereinbarung über das weitere Vorgehen zum Gebäudebestand der Familienheim in dem Areal zwischen Adalbert-Stifter-Straße, Dreikönigstraße, Türkenlouisstraße, Prinz-Eugen-Straße und Grillparzerstraße ausgehandelt. Diese Vereinbarung stellten Oberbürgermeister Martin Horn, Anja Dziolloß, Vorstandsvorsitzende der Familienheim Freiburg Baugenossenschaft eG, Baubürgermeister Martin Haag und Alexander Ehrlacher, geschäftsführender Vorstand der Familienheim Freiburg Baugenossenschaft eG am heutigen Tag der Öffentlichkeit vor.

Das betroffene Areal ist aufgrund seiner zentralen Lage im Stadtteil Wiehre, seiner städtebaulichen Gestalt, seines niedrigen Mietniveaus und seiner Bewohner_innen- und Sozialstruktur von besonderer Bedeutung und Eigenart. Die Bausubstanz stammt aus den 1930er und 1950er Jahren. Ziel der Verhandlungen war es, einerseits die Belange und Sorgen der Mieter_innen angemessen zu berücksichtigen und der Baugenossenschaft Planungssicherheit zu geben.

Der Fall zeigt: Engagement und Protest der Bürger können sich lohnen. Natürlich bleiben Fragen: wie wäre das wohl ausgegangen, wenn sich das Quartier nicht im Freiburger Osten befinden würde? wie, wenn der Vorgang nicht mit OB- und GR-Wahlen zusammengefallen wäre?

Der Fall zeigt auch, dass Genossen viel weniger Rechte haben, als Eigentümer. Noch schlechter dran sind zuweilen aber Mieter der Stadtbau, der Bima oder privater Vermieter.

Der Respekt würde es gebieten, dass man Mieter*innen nicht vor vollendete Tatsachen stellt, sondern geplante Abrisse, Kernsanierungen etc. mehrere Jahre im Vorfeld ankündigt, so wie es jetzt hier geregelt ist.

In der Wiehre, wo sich diese Häuser befinden, gibt es viel Bausubstanz, die teils 2-3 mal älter ist. Ganz sicher sind auch diese Häuser sanierungsfähig, aber Familienheim und an anderer Stelle andere Player am FR-Wohnungsmarkt wollen die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Das »Mehr« an Wohnraum ist die Konsequenz daraus und nicht die Ursache.

Aus Klimaschutzgründen wäre die Sanierung des Bestands zumeist vorteilhafter und wenn man das so macht, dass die Mieter wieder in die alten Wohnungen können, wäre es auch aus sozialpolitischen Erwägungen zu begrüßen.

Bis vor kurzem ging es u.a. um die Abwägung Dietenbach oder Innenentwicklung. Seit 2018 ist die Stadt aber nicht mehr nennenswert gewachsen, der Druck auf dem Wohnungsmarkt hat merklich nachgelassen und wird perspektivisch (Demografischer Wandel) weiter abnehmen. Von daher stellen sich diese Fragen nicht mehr in dem Maße, zumal ja weitere 20 Baugebiete in Planung sind.

Würde man dem Klimaschutz den Stellenwert einräumen, den er in Sonntagsreden fast aller Parteien genießt, dann würde man die Neubautätigkeit drastisch begrenzen.

Die Vereinbarung zwischen Stadtverwaltung und Familienheim besteht aus zwei Teilen:

Bis Ende 2029 sind Baumaßnahmen nur begrenzt und unter klar definierten Rahmenbedingungen zulässig, die vor allem dazu dienen, die Bausubstanz zu erhalten, die erforderliche Sicherheit der Gebäude zu gewährleisten und gesetzliche Auflagen zu erfüllen. Ein Abriss von Gebäuden ist in diesem Zeitraum beispielsweise nicht zulässig. Die rechtlich möglichen Erhaltungssatzungen werden dadurch kompensiert. Dabei geht der Zeitraum dieses Moratoriums von achteinhalb Jahren über den Zeitraum von fünf Jahren hinaus, nach dem die Voraussetzungen insbesondere einer sozialen Erhaltungssatzung erneut nachgewiesen werden müssten.

Zum anderen sieht die Vereinbarung die Erstellung eines Gesamtkonzeptes für den Gebäudebestand der Familienheim Freiburg unter Mitwirkung und Beteiligung der Bewohner_innen im Rahmen eines externen geleiteten Prozesses und der Stadt vor. Mit dem Konzept will die Familienheim nicht vor 2026 beginnen, Ende 2029 soll es fertig sein. Damit ist ausreichend Ruhe, Zeit und Raum zur Vorbereitung und Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes als Grundlage für die langfristige städtebauliche Entwicklung und Planung baulicher Maßnahmen gegeben.

Oberbürgermeister Martin Horn: „Die Familienheim Freiburg ist als Genossenschaft und Bestandshalterin eine wichtige Akteurin auf dem Freiburger Wohnungsmarkt. Ich freue mich überaus, dass wir gemeinsam einen Weg gefunden haben, das Quartier in der Wiehre zukunftsfähig zu gestalten. Die Interessen der Mieterinnen und Mietern haben dabei eine zentrale Rolle gespielt – aber ebenso die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Team der Familienheim.“

Baubürgermeister Martin Haag erläuterte, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungssatzung für das Gebiet Adalbert-Stifter-Straße, Dreikönigstraße, Türkenlouisstraße, Prinz-Eugen-Straße und Grillparzerstraße und einer städtebaulichen Erhaltungssatzung für das Gebiet Quäkerstraße, Adalbert-Stifter-Straße, Dreikönig- und Türkenlouisstraße aus Sicht der Stadt vorliegen. Die Verfahren sollen allerdings ausgesetzt werden, sollte der Gemeinderat die Vereinbarung am 29. Juni beschließen.

Baubürgermeister Martin Haag: „Ich bin der Überzeugung, dass wir mit der Vereinbarung die beste Lösung gefunden haben. Zum einen für die Mieter_innen, die nicht nur im Sinne einer sozialen Erhaltungssatzung geschützt sind, sondern die Zukunft selbst mitgestalten können und langfristige Planungssicherheit erhalten. Und andererseits für die städtebauliche Entwicklung des genossenschaftlichen Wohnungsbestandes der Familienheim Freiburg und des gesamten Quartiers.“

Für das Gesamtkonzept wurden Rahmenbedingungen und Ziele in die Vereinbarung aufgenommen. Sie ergeben sich u.a. aus den Zielen und Zwecken einer sozialen und städtebaulichen Erhaltungssatzung und eröffnen gleichzeitig Spielraum für eine besonnene Entwicklung des Gebiets und des genossenschaftlichen Wohnungsbestandes. Wesentliches Ziel ist es, Verdrängungsprozesse in dem Quartier zu vermeiden und die das Quartier prägenden Merkmale Freiraum, Kubatur, Gebäudestellung, Höhenentwicklung, Fassadenstruktur etc. bei der Erstellung des Gesamtkonzepts angemessen zu berücksichtigen. Der Erhalt der Gebäude und des günstigen Wohnraums, der Wohnungsstrukturen und der sozialen Durchmischung sollen deshalb in dem Konzept eine wichtige Rolle spielen ebenso wie die Entwicklung von Nachverdichtungsmöglichkeiten, relevante technische und wirtschaftliche Belange und Schaffung neuen Wohnraums.

Der Klimaschutz wurde nicht explizit benannt.

Sabine Recker, Leiterin Referat für bezahlbares Wohnen, die wesentlich an den Verhandlungen beteiligt war: „Es ist Ziel, günstigen, genossenschaftlichen Wohnraum in der Wiehre zu erhalten und gleichzeitig auch neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Um nachhaltig erfolgreich zu sein, ist es wichtig, dass Eigentümerin, Mieter_innen und Stadt an einem Strang ziehen.“

Hintergrundinfos:

Der Gemeinderat hatte am 19.05.2019 einen Aufstellungsbeschluss für eine soziale Erhaltungssatzung sowie für eine städtebauliche Erhaltungssatzung gefasst. Es war damals von Seiten der Eigentümerin geplant, die Gebäude Quäkerstraße 1-9 aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Dies hatte bei den Bewohner_innen in dem Quartier zu Verunsicherung und Sorge geführt, dass sie den für sie bezahlbaren Wohnraum verlieren. Hieraus hatte sich die Bewohner_inneninitiative Wiehre für Alle entwickelt.

www.wiehre-für-alle.de

www.Freiburg-Lebenswert.de

www.familienheim-freiburg.de/WiehreInfo/Wiehre_Info.php

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