Auf den ersten Blick eine klare Sache: 40 % Ja, 60 % Nein, also deutlich mehr als die Hälfte der Wähler*innen befürworten die Bebauung. Das Votum ist allerdings bei weitem nicht so klar, wie am 24.07.2018 im Gemeinderat. Wo liegt nun das Problem? Nun ja, für die betroffenen Landwirte wird jetzt die Enteignung und der Verlust bisher gepachteter Äcker noch konkreter. Bei manchen wird das die Existenz gefährden. Für diejenigen, denen es nicht gleichgültig ist, dass die Green City Freiburg nach dieser Entscheidung bis mindestens 2050 die Klimaziele verfehlen wird, ist der heutige Tag ebenfalls Anlass zur Sorge. Alle, die mehr Risiken als Chancen in diesem Riesenprojekt sehen, hätten sich einen anderen Wahlausgang gewünscht. Andererseits ist das Ergebnis dennoch ein großer Erfolg des Aktionsbündnisses. Eine anfangs kleine Bürgerinitiative hat es geschafft, ein halbes Jahr eine Debatte über die Themen Wohnen, Klimaschutz, Wachstum, Enteignungen, Naturschutz, Artenschutz, Flächenschutz und vieles mehr in der Stadtgesellschaft anzustoßen. Leider haben Rathausspitze und die baubefürwortende Mehrheit im Gemeinderat diese Debatte nicht mit Informationen unterstützt. Vielmehr haben sie einen Wahlkampf geführt, bei dem Versprechungen und Emotionen im Vordergrund standen. Ferner wurde die Wohnungsnot instrumentalisiert, was entscheidend zum Erfolg beigetragen haben dürfte. Sie haben es geschafft, den Menschen eine Lösung, die frühestens in 7 Jahren ersten Wohnraum bereitstellen wird und vielleicht 25 Jahre Bauzeit benötigt, als Lösung für die heutigen Wohnungsprobleme zu verkaufen. Das haben sie zwar so nicht explizit behauptet, aber erfolgreich suggeriert. Erschwerend kommt hinzu, dass Stadt und Fraktionen einen immensen Werbeaufwand betrieben haben, bei dem die Bürgerinitiative das Nachsehen hatte. Auf eine Bitte nach etwas finanzieller Unterstützung ging der OB nicht ein. Die Zeitungen haben die Werbebotschaften der Befürworter ohne sie kritisch zu hinterfragen nach Kräften unters Wahlvolk gebracht. Die Argumente der Kritiker wurden hingegen - obgleich zahlreich vorhanden - viel seltener medial transportiert und zudem oft sehr kritisch hinterfragt. Am Ende kann man sich fragen, was bringt das Instrument des Bürgerentscheids, wenn die Bürger*innen nicht objektiv und neutral informiert werden und die Stadt mit öffentlichen Geldern und uneinlösbaren Versprechen die Menschen von dem Stadtteil überzeugt. Bei einem faireren Wahlkampf, wäre es sehr gut denkbar gewesen, dass etwas mehr als 10 % der Wähler*innen mehr für Ja anstatt für Nein gestimmt hätten. Dann wäre es anders ausgegangen. Natürlich ist diese Überlegung hypothetisch, aber in Anbetracht der vorgenannten Aspekte nicht ganz von der Hand zu weisen. Stolz können Rathausspitze und Fraktionen vor diesem Hintergrund sicher nicht sein, zumal sie etliche Schecks ausgestellt haben, die sie nun einlösen müssen. Daran werden sie sich messen lassen müssen. Erst kurz im Amt, hat der neue OB einen weiteren Wahlkampf geführt. Diesmal gegen einen beträchtlichen Teil der Bewohner*innen, teils sogar gegen seine eigenen Wähler*innen. So haben sich sicher viele das „gemeinsame Gestalten“ nicht vorgestellt. Freiburgs Zeitungen gehen nach dem Bürgerentscheid hoffentlich selbstkritisch in sich und informieren die Leser*innen zukünftig objektiver. Medienschelte ist in Mode gekommen, oft ist sie unbegründet oder unangemessen. Im Zusammenhang mit Dietenbach erscheint sie leider berechtigt. Die Freiburger*innen erwarten sicher, dass sich derlei nicht wiederholt.
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