Korruptionssfall im Rathaus

Ein Mitarbeiter des städtischen Gebäudemanagements Freiburg (GMF) soll Bestechungsgelder von einem Handwerksbetrieb der Elektrobranche aus dem südlichen Breisgau erhalten und diesem im Gegenzug eine große Zahl an Aufträgen zugeschoben haben. Es geht um den Zeitraum 2012 – 2017.

Dies meldete das Freiburger Rathaus am vergangenen Donnerstag.

Die genaue Schadenshöhe muss noch ermittelt werden. Sie könnte sich aber im sechsstelligen Bereich bewegen.

Das gesamte Auftragsvolumen belief sich laut BZ auf 1,6 Mio. €. Das Rechnungsprüfungsamt stufte dabei etwas weniger als ein Drittel als verdächtig ein.

https://www.badische-zeitung.de/staatsanwaltschaft-ermittelt-wegen-korruption-im-freiburger-rathaus--177406587.html

Dem Mitarbeiter wurde Ende 2018 fristlos gekündigt. Er ist über 50 Jahre alt und war seit Jahrzehnten bei der Stadt beschäftigt. Auch die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen wurde beendet. Regressforderungen sind wahrscheinlich.

Im März vergangenen Jahres fanden bereits Durchsuchungen im Rathaus, in der Max-Weber-Schule, beim Berufsschulzentrum, der Privatwohnung und dem Unternehmen statt, denn nach internen Ermittlungen schaltete das Rechtsamt die Kripo ein.

Der Prozess gegen den langjährigen Mitarbeiter steht noch aus, von daher gilt noch die Unschuldsvermutung.

Allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass die Beweislage erdrückend ist. Anders wäre die Stadt wohl jetzt nicht an die Öffentlichkeit gegangen und hätte dem Mitarbeiter sicher auch nicht fristlos gekündigt.

In einem solchen Fall, verlangt das Arbeitsrecht belastbare Beweise, ansonsten verliert die Stadt eine entsprechende Kündigungsschutzklage.

Ein Korruptionsfall dieser Größenordnung ist alles andere als alltäglich. Eine staatsanwaltlich veranlasste Durchsuchung von Rathaus und Schulen auch nicht – zumindest nicht in Freiburg.

Die Frage, die sich daher stellt, ist: warum erfährt die Öffentlichkeit erst eineinhalb Jahre nach den Durchsuchungen von diesem Vorfall?

Warum haben Stadt und BZ nicht viel früher darüber informiert?

Ein Erklärungsversuch erschien in der BZ-Ausgabe vom Samstag.

https://www.badische-zeitung.de/die-kontrolle-hat-funktioniert

Der Leiter des Rechtsamtes Matthias Müller versucht die Gründe der späten Bekanntgabe zu rechtfertigen und sah im Übrigen keine Verantwortung für die Vorfälle bei der Stadt.

„BZ: Warum sind Sie nicht offensiv an die Öffentlichkeit gegangen?
Müller: In einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gilt für den Verdächtigen die Unschuldsvermutung, die auch die Stadt als Dienstherrin zu beachten hat. Zu früh an die Öffentlichkeit zu gehen, hätte die Gefahr einer Vorverurteilung erhöht. Wir haben deshalb auch zum Schutz des Betroffenen gehandelt.“

Grundsätzlich ist das schon richtig, wirft aber Fragen auf:

Die Stadt hat dem Mitarbeiter bereits Ende 2018 fristlos gekündigt, war ergo überzeugt, dass er korrupt war und kann dies offensichtlich auch beweisen. Es fällt daher schwer zu glauben, dass die Stadt so besorgt war, dass eine Vorverurteilung stattfinden könne. Der Prozess scheint ja noch nicht stattgefunden zu haben. Wo ist der Unterschied, zum jetzigen Gang an die Öffentlichkeit? Außerdem hat sie bisher weder den Namen des Mitarbeiters, noch den des Unternehmens genannt. Insofern erscheint das als Schutzbehauptung, für die späte Öffentlichkeitsinformation.

Rückblick:

Im März 2018 war die heiße Phase des OB-Wahlkampfes. Zu diesem Zeitpunkt schwanden die vormals sehr guten Chancen von Dieter Salomon, wiedergewählt zu werden, zunehmend. Ein Korruptionsskandal im Rathaus hätte das Bild des Oberbürgermeisters, der die Verwaltung allem Anschein nach souverän führt, beschädigen können.

Otto Neideck, langjähriger Finanzbürgermeister, ging in diesem Zeitraum in Ruhestand und übergab an Stefan Breiter ein „gut bestelltes Haus“, wie es damals hieß. Da hätte ein Korruptionsfall nicht gut reingepasst.

Später wollte der Baubürgermeister für eine weitere Amtszeit Grünes Licht vom Gemeinderat erhalten und auch da hätte der Vorgang kein gutes Bild abgegeben.

Ab August 2018 hat der Bürgerentscheid Dietenbach seine Schatten vorausgeworfen. Die Stadtverwaltung wollte natürlich keinen Zweifel daran lassen, dass sie in der Lage sei, eines der größten Baugebiete Deutschlands zu entwickeln. Dazu hätte schlecht gepasst, dass im Herzen der Verwaltung ein großer Korruptionsfall aufgedeckt wurde. Das Lager der Baubefürworter war zum damaligen Zeitpunkt in Sorge, den Bürgerentscheid eventuell zu verlieren.

Aus dem Gemeinderatswahlkampf sollte der Vorfall wohl auch rausgehalten werden und so haben sich die Verantwortlichen entschlossen, ihn erst nach der ersten Gemeinderatssitzung publik zu machen.

Die möglichen Gründe, für die sehr späte Benachrichtigung der Öffentlichkeit, sind bis dato Spekulation. FRIMP wäre daher entsprechenden Informant*innen dankbar, wenn sie Licht ins Dunkel bringen könnten. Dies kann hier als Kommentar erfolgen, als eigener Artikel oder per Mail. Entsprechende Vertraulichkeit wird auf Wunsch zugesichert.

Kurios an diesem Fall ist auch der Umstand, dass die Stadt anfangs einen pensionierten Kripobeamten mit der Aufklärung betraut hatte. Eine sehr unkonventionelle Methode. Es sollte wohl möglichst niemand mitbekommen.

Die BZ hat auf Nachfrage nicht mitgeteilt, seit wann sie Kenntnis von dem Vorgang hat und warum sie erst jetzt darüber berichtet. Es ist daher anzunehmen, dass sie schon lange Kenntnis davon hat, aber eventuell in Absprache mit der Stadtverwaltung nicht die Öffentlichkeit informierte. Aber auch das ist bis dato Spekulation. In jedem Fall hat sie einen Tag vor der offiziellen Pressemitteilung der Stadt bereits online berichtet.

Freiburgs „Leitmedium“ ist so gut vernetzt, dass es schwer fällt zu glauben, dass die Ermittlungen, Durchsuchungen etc., die sich über ca. zwei Jahre hinzogen, dort unbemerkt blieben. Und selbst wenn, hätte sicher irgendjemand die BZ darüber in Kenntnis gesetzt. Entsprechende Vermutungen wurden bis dato auch nicht seitens der BZ zurückgewiesen.

Fortsetzung folgt ziemlich sicher.

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